Freitag, 27. April 2018

"Draußen ist es heute sehr kalt" - Gefreiter Jakob Seeger schreibt seiner Familie in Auerbach

Gefreiter Jakob Seeger hält sich im Frühjahr 1917 in Lemberg (Lwiw) auf. Lemberg, eine der größten Garnisonen der k.u.k. Monarchie und somit ein Schutz vor dem russischen Zarenreich, fiel 1914 in der Schlacht von Lemberg kurzzeitig in russische Hände, konnte zurückerobert werden, war aber bis zur russischen Revolution immer wieder gefährdet.

Jakob Seeger allerdings kämpft mit der Kälte und zieht sich in das Soldatenheim zurück. Er schreibt:
"geschrieben, den 5.2.1917, Meine Lieben! Sende Euch nochmals die besten Grüße von hier, und hoffe, daß Ihr auch noch alle gesund seid. Habe Euch Lieben gestern auch eine Karte geschickt. Draußen ist es heute sehr kalt, habe mich wieder im Soldatenheim niedergelassen, denn hier ist es schön warm. Sonst wüßte ich nichts neues. Viele Grüße und baldiges Wiedersehen Euer tr. Vater. Schreibt bitte auch bald wieder"
BIAB_HBS_0024.jpg; Bild zur Verfügung gestellt von Hans Bernhard Schober; Feldpostkarte gelaufen 05.02.1917, Stempel: K.D. Feldpoststation, 5.2.1917. 4-5 N, Nr 268; zusätzlicher Stempel: Deutsches Soldatenheim Lemberg; Absender: Gefreiter [Anm.: Jakob] Seeger, Militär Güter und Paketamt, K.D. Südarmee, deutsche Feldpost 151; Adressat: Frau Marie Seeger, Auerbach (Hessen), Neuer Weg N. 14;  Text: geschrieben, den 5.2.1917, Meine Lieben! Sende Euch nochmals die besten Grüße von hier, und hoffe, daß Ihr auch noch alle gesund seid. Habe Euch Lieben gestern auch eine Karte geschickt. Draußen ist es heute sehr kalt, habe mich wieder im Soldatenheim niedergelassen, denn hier ist es schön warm. Sonst wüßte ich nichts neues. Viele Grüße und baldiges Wiedersehen Euer tr. Vater. Schreibt bitte auch bald wieder; Verlag: Wydawnictwo Salonu Malarzy Polskich w Krakowie 1916; zusammengestellt und transkribiert: Frank-Egon Stoll-Berberich 2018.
Verlag: Wydawnictwo Salonu Malarzy Polskich w Krakowie 1916.



Diese Karte ist als "tragischer Vorbote" zu bezeichnen, denn es wird eine Lungenentzündung sein - zugezogen im kalten Winter 1918 - die Jakob Seeger kurz vor seiner Heimkehr in die hessische Heimat und wenige Tage nach Ende des Krieges, das Leben kosten wird. 

Das ganze Schicksal Jakob Seegers finden Sie hier.


© Frank-Egon Stoll-Berberich, 2018, Alle Rechte vorbehalten.

Samstag, 14. April 2018

Der Erste Weltkrieg im Bergsträßer Anzeigeblatt - Aufruf an alle 16-jährigen Bensheimer

Bereits zwei Monate nach Ausbruch des Krieges wird alles mobilisiert, was alt genug erscheint, die vaterländischen Pflicht erfüllen zu können. So sollen auch die Bensheimer Jugendlichen ab 16 Jahre militärisch vorgeschult werden und Vereine und Schulen sollen bei der Erhebung der notwendigen Daten helfen. In der Anzeige im Bergsträßer Anzeigeblatt vom 21. September 1914 heißt es:

"Militärische Vorbildung der Jugend während des Kriegszustandes. Nach einem vom Großherzoglichen Ministerium  des Inneren auf Hessen ausgedehnten Erlaß preußischer Behörden, abgedruckt im Amtsverkündigungsblatt Nr. 37 vom 16. September 1914, soll unsere Jugend schon vom 16. Lebensjahre an auf den Militärdienst vorbereitet werden. Da die Erfüllung dieser Aufgabe eine hohe vaterländische Pflicht bedeutet und ein enger Zusammenschluß aller wehrfähiger Personen unbedingte Notwendigkeit ist, richten wir das dringende Ersuchen an die männliche Jugend, soweit sie das 16. Lebensjahr erreicht hat, sich an den geplanten Veranstaltungen recht zahlreich zu beteiligen.
   Anmeldungen auch derjenigen Personen, die hierbei als Führer und Leiter mitwirken wollen, werden bei uns, Zimmer 9, bis spätestens 1. Oktober l. Js. entgegengenommen.
   Die Meldungen solcher jungen Leute, die Vereinen angehören, und diejenigen von Schülern, erfolgen zweckmäßig durch Vermittelung der Vorstände, bezw. Leiter der Schulen. In diesen Fällen sollen die bei uns einzureichenden Listen, Vor- und Zunamen, Geburtstag, Wohnung und berufliche Tätigkeit enthalten.
Bensheim, am 21. September 1914.
Der Bürgermeister: In Vertretung: Denig."



Links und Literaturhinweise

1) vgl. Artikel Westdeutsche Zeitung vom 29. Juli 1914: Erster Weltkrieg an der Heimatfront: Jugendliche an die Waffen (zuletzt besucht am 27.01.2018).
2) vgl. WDR-Homepage: Mit den Augen eines 16-jährigen Soldaten (zuletzt besucht am 27.01.2018)
3) vgl. Homepage "Die Welt der Habsburger", Die Schulfront. (zuletzt besucht am 27.01.2018)


© Frank-Egon Stoll-Berberich, 2018, Alle Rechte vorbehalten.

Samstag, 7. April 2018

Der Erste Weltkrieg im Bergsträßer Anzeigeblatt - Kriegsbedingte Aufrufe und Werbung


...sind wir genötigt, die Kasse vormittags zu schließen... Arbeitskräftemangel

Nachdem die Mobilmachung beschlossen, der Krieg ausgebrochen war und immer mehr Männer im wehrfähigen Alter ihren Dienst an der Waffe antreten mussten, lichteten sich in der Heimat die Reihen. Arbeitskräfte wurden rar und es musste Ersatz gefunden werden.
Immer mehr traten Frauen[1] an die Stelle der fehlenden Männer, aber auch patriotische Aufrufe sind zu finden, die selbst vor dem wohlverdienten Ruhestand nicht Halt machen.

Die Annonce der Pfälzischen Landesbank[2] - hier die Filiale in Bensheim - im Bergsträßer Anzeigeblatt vom 10.08.1914 weist auf das Problem der fehlenden Arbeitskräfte hin. Die Geschäftsstelle kann nur noch am Vormittag öffnen, denn die Direktion befindet sich an der Front:
"Pfälzische Bank; Wir geben hiermit davon Kenntnis, daß wir den Betrieb der hiesigen Filiale vollständig aufrecht erhalten, obwohl die Herren Direktoren Bernatz und Habich, sowie vier Gehilfen zu der Armee einberufen sind. Zu unserem Bedauern sind wir aber durch den infolge der Mobilmachung eingetretenen Mangel an Personal genötigt, die Kasse bis auf Weiteres nachmittags zu schließen. Die Kassestunden sind für die Folge: 8-12 Uhr vormittags. Wir bitten in diesen schweren Zeiten um geneigtes Entgegenkommen. Filiale der Pfälzischen Bank; Direktion: Lehmann. Steinbacher. (4090)" 



...selbstlose kostenfreie Vertretung... die Rettung naht

Doch Rettung naht, denn in den frühen Stunden des Krieges herrscht noch patriotisches Pflichtgefühl, welches auch einen "privatisierenden" Bewohner Bensheims seinen Teil beitragen lässt. In seiner Anzeige aus dem Bergsträßer Anzeigeblatt vom 10. August 1914 heißt es: 

Heilige Pflicht eines Jeden, dem Alter, Gebrechlichkeit oder Krankheit nicht gestatten, unseren Fahnen zu folgen ist in diesen schweren Tagen, seine Zeit und Kraft, sein Wissen und Können in den Dienst der Zurückgebliebenen zu stellen!
Gerade den alten privatisierenden Kaufleuten bietet sich jetzt Gelegenheit, helfend einzugreifen, indem sie die Vertretung der einberufenen Kollegen übernehmen und mache ich daher den Anfang, indem ich diejenigen Geschäfte ersuche, denen eine selbstlose kostenfreie Vertretung erwünscht ist, vertrauensvoll sich an mich zu wenden.; M. L. Wolff, Ernst-Ludwigstr. 36. Bensheim, den 7. August 1914"


Links und Literaturhinweise

[1] Dossier der Bundeszentrale für Politische Bildung: Frauenarbeit und Geschlechterverhältnisse (zuletzt besucht am 25.01.2018)
[2] Im Jahre 1902 übernahm die Pfälzische Bank die Volksbank Bensheim eGmbH und ihre Filialen, die wiederum 1921 von der Rheinischen Creditbank und 1929 von Deutschen Bank übernommen wurde. Quelle: http://www.bankgeschichte.de/de/content/839.html (zuletzt besucht am 25.01.2018)


© Frank-Egon Stoll-Berberich, 2018, Alle Rechte vorbehalten.