Montag, 5. November 2018

Der Erste Weltkrieg im Bergsträßer Anzeigeblatt - Ausgesuchte Artikel und Annoncen - 01.08.1914 - Kriegszustand erklärt

Amtlicher Teil.

An die Bevölkerung des Bezirks des XVIII. Armeekorps.

Seine Majestät der Kaiser hat das Reichsgebiet in Kriegszustand erklärt. Für diese Maßregel sind lediglich Gründe der raschen und gleichmäßigen Durchführung der erforderlichen militärischen Vorkehrungen maßgebend und nicht etwa die Besorgnis, daß die Bevölkerung die vaterländische Haltung werde vermissen lassen. Die Schnelligkeit und Sicherheit unseres Aufmarsches erfordert einheitliche und zielbewußte Leitung der gesamten vollziehenden Gewalt. Wenn durch die Erklärung des Kriegszustandes die Gesetze verschärft werden, so wird dadurch niemand, der das Gesetz beachtet und den Anordnungen der Behörden Folge leistet, in seinem Tun und Wirken beschränkt. Ich vertraue, daß die gesamte Bevölkerung alle Militär- und Zivilbehörden freudig und rückhaltslos unterstützen und uns damit die Erfüllung unserer hohen vaterländischen Pflichten erleichtern wird. Dann wird auch der alte Waffenruhm des Heeres aufrechterhalten und es vor den Augen unseres Kaisers und den Blicken der Nation in Ehren bestehen.

Der kommandierende General:


Erklärung. 
Auf Befehl Seiner Majestät des Kaisers wird für der Bezirk des XVIII. Armeekorps hierdurch der

Kriegszustand

erklärt.

Die vollziehende Gewalt geht damit an mich, im Befehlsbereich der Festungen Mainz und Coblenz an den Gouverneur bezw. Kommandanten der Festung über.

Die Zivilverwaltungs- und Gemeindebehörden verbleiben in ihren Funktionen. Sie haben aber meinen Anordnungen und Aufträgen, im Befehlsbereich der Festungen Mainz und Coblenz denen des Gouverneurs bezw. Kommandanten der Festung Folge zu leisten.

Der kommandierende General.

Artikel 68 der Reichsverfassung. 
Der Kaiser kann, wenn die öffentliche Sicherheit in dem Bundesgebiete bedroht ist, einen jeden Teil desselben in Kriegszustand erklären. Bis zum Erlaß eines die Voraussetzungen, die Form der Verkündigung und die Wirkungen einer solchen Erklärung regelnden Reichsgesetzes (ist noch nicht erfolgt) gelten dafür die Vorschriften des preußischen Gesetzes vom 4. Juni 1851 (Gesetz-Samml. für 1851 S. 451 ff.)
Preußisches Gesetz vom 4. Juni 1851
§ 1.
Für den Fall eines Krieges ist in den, von dem Feinde bedrohten oder teilweise schon besetzten Provinzen jeder Festungskommandant befugt, die ihm anvertraute Festung mit ihrem Rajonbezirke, der kommandierende General aber den Bezirk des Armeekorps oder einzelne Teile desselben zum Zwecke der Verteidigung in Belagerungszustand zu erklären.

§ 4.
Mit der Bekanntmachung der Erklärung des Belagerungszustandes geht die vollziehende Gewalt an die Militärbefehlshaber über. Die Zivilverwaltungs- und Gemeindebehörden haben den Anordnungen und Aufträgen der Militärbefehlshaber Folge zu leisten.
Für ihre Anordnungen sind die betreffenden Militärbefehlshaber persönlich verantwortlich.

§ 8.
Wer in einem in Belagerungszustand erklärten Orte oder Distrikte der vorsätzlichen Brandstiftung, der vorsätzlichen Verursachung einer Überschwemmung, oder des Angriffs, oder des Widerstandes gegen die bewaffnete Macht, oder Abgeordnete der Zivil- oder Militärbehörde in offener Gewalt und mit Waffen, oder gefährlichen Werkzeugen versehen sich schuldig macht, wird mit dem Tode bestraft.
Sind mildernde Umstände vorhanden, so kann, statt der Todesstrafe auf zehn- bis zwanzigjährige Zuchthausstrafe erkannt werden.

§ 9.
Wer in einem in Belagerungszustand erklärten Orte oder Distrikte 

a) in Beziehung auf die Zahl, die Marschrichtung oder angeblichen Siege der Feinde oder Aufrührer wissentlich falsche Gerüchte ausstreut oder verbreitet, welche geeignet sind, die Zivil- oder Militärbehörden hinsichtlich ihrer Maßregeln irre zu führen, oder 

b) ein bei Erklärung des Belagerungszustandes oder während desselben vom Militärbefehlshaber im Interesse der öffentlicher Sicherheit erlassenes Verbot übertritt, oder zu solcher Übertretung auffordert oder anreizt, oder

c) zu dem Verbrechen des Aufruhrs, der tätlichen Widersetzlichkeit, der Befreiung eines Gefangenen, oder zu andern § 8 vorgesehenen Verbrechen, wenn auch ohne Erfolg, auffordert oder anreizt, oder

d) Personen des Soldatenstandes zu Verbrechen gegen die Subordination oder Bergehrung gegen die militärische Zucht und Ordnung zu verleiten sucht, soll, wenn die bestehenden Gesetze keine höhere Freiheitsstrafe bestimmen, mit Gefängnis bis zu einem Jahre bestraft werden.

Einführungs-Gesetz zum Reichs-Strafgesetzbuch.
§ 4. 
Bis zum Erlasse der in den Artikeln 61 und 68 der Verfassung des Norddeutschen Bundes vorbehaltenen Bundesgesetze die in den §§ 81, 88, 90, 307, 311, 312, 315, 322, 323 und 324 des Strafgesetzbuchs für den Norddeutschen Bund mit lebenslänglichem Zuchthaus bedrohten Verbrechen mit dem Tode zu bestrafen, wenn sie in einem Teile des Bundesgebietes, welchen der Bundesfeldherr in Kriegszustand (Art. 68 der Verfassung) erklärt hat, oder während eines gegen der Norddeutschen Bund ausgebrochenen Krieges auf dem Kriegsschauplatze begangen werden.

Bekanntmachung 
Hiermit verbiete ich jede Veröffentlichung oder Mitteilung militärischer Ungelegenheiten. Übertretungen dieses Verbots werden streng bestraft. Frankfurt a. M., am 31. Juli 1914.
Der kommandierende General.




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Faksimile "Verhängung des Kriegszustandes durch Wilhelm II, 31 Juli 1914 [Reichsgesetzblatt 1914, 263]" auf Historisches Lexikon Bayerns [zuletzt besucht am 01.08.2017]

© Frank-Egon Stoll-Berberich, 2018, Alle Rechte vorbehalten.

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