Die Beisetzung des Erzherzogpaares Franz Ferdinand.
Groß-Pöchlarn, 4. Juli, Die Särge des Erzherzogs und der Herzogin wurden unter strömendem Regen aus dem Waggon gehoben und in dem Wartesaal aufgebahrt. Zwölf Offiziere des Ulanenregiments Franz Ferdinand hielten die Ehrenwache. Nach neuerlicher Einsegnung wurden die Särge um 3 ½ Uhr morgens in den Galaleichenwagen gebracht. Der Trauerzug setzte sich durch ein dichtes Spalier der Bevölkerung, welche in stummer Ergriffenheit die Verblichenen begrüßte, zum Donauufer in Bewegung, wo er um 4 Uhr anlangte. Die Leichenwagen wurden auf eine Rollfähre geschoben, welche langsam über den Donaustrom setzte. Vom jenseitigen Ufer wurde der 3 ½ Kilometer lange Weg zum Schloß Artstetten fortgesetzt, wo der Trauerzug um 5 Uhr morgens anlangte. Die Särge wurden in der Schloßkirche aufgebahrt; Priester- und Nonnen hielten abwechselnd Betstunden. Um 8 und 9 ¾ Uhr trafen zwei Hofsonderzüge in Groß-Pöchlarn mit den Trauergästen ein, darunter Erzherzog Karl Franz Josef und Gemahlin, sowie die Kinder des verblichenen Paares.
Artstetten, 4. Juli. Um 10 ¾ Uhr fand in der Schloß-Pfarrkirche in Gegenwart des Erzherzogs Karl Franz Joseph und der nächsten Verwandten der Verblichenen, zahlreicher Mitglieder des Kaiserhauses und sonstiger Trauergäste die feierliche Einsegnung der Leichen des Erzherzogs Franz Ferdinand und seiner Gemahlin statt. Dechant Dobner nahm unter großer geistlicher Assistenz die feierliche Handlung vor. An den Särgen hielten Offiziere die Ehrenwache. Um 11 ½ Uhr wurden die Särge durch ein Spalier von Feuerwehrleuten und Veteranen durch das Parktor zur Gruft getragen, wo in Gegenwart der nächsten Anverwandten die endgültige Beisetzung erfolgte.
Wien, 4. Juli. Heute Vormittag fand in der Hofburg-Pfarrkirche ein feierliches Seelenamt statt, welchem dem Kaiser, die Mitglieder des Kaiserhauses und die Würdenträger beiwohnten.
Wien, 4. Juli. In der ganzen Monarchie fanden heute für den Erzherzog Franz Ferdinand und seine Gemahlin feierliche Requiems statt.
Wien, 4. Juli. Der Kaiser empfing die Kinder des verstorbenen Erzherzogs in Audienz, die 20 Minuten dauerte.
Princips Geständnisse.
Der Attentäter Princip erklärte, nach dem „Berl. Lok.- Anz“, in der Untersuchungshaft, daß er sich nach dem Attentat“ habe selbst entleiben wollen; wenn er gewußt hätte, daß er daran gehindert werde, würde er das Attentat nicht begangen haben. Er sei jedoch froh, daß das Attentat gelungen sei. Wären auch die Kinder des Thronfolgerpaares mitgewesen, hätte er sich nicht gescheut, auch sie zu erschießen. Princip antwortet sehr intelligent. Da sicher die Todesstrafe an ihm vollzogen wird, gibt sich in der Serajower Gesellschaft die Forderung kund, daß dies öffentlich geschehe. Bei der Verhaftung des Belgrader Gymnasiasten Trifko Grabe wurde festgestellt, dass er beim Rathause mit Revolver und Bombe ein Attentat auf den Thronfolger geplant habe. Nach dem Attentat bei der Lateinerbrücke durch Princip begab sich Grabez in die Wohnung seines Schwagers, des Schuhmachers Crnogorcevic, wo er Revolver und Bombe versteckte. Gestern wurde die Bombe und der geladene Revolver gefunden und der Polizei übergeben. Grabez ist 17 Jahre alt, Sohn eines serbischen Priesters aus Pale, einem Orte unweit Serajewo, und Schüler der siebenten Gymnasialklasse. Er verkehrte in der Gesellschaft der Attentäter und hat Bombe und Revolver in Belgrad vom Chef der Narodna Ciganovic erhalten. Der Schwager des Grabez, der Schuster Crnogorcevic, wurde schon Montag verhaftet, da er geäußert hatte, er habe von dem Attentat eher gewußt als alle in der Untersuchung Befindlichen. Er leugnet, das gesagt zu haben. Grabez ist auch ein Verwandter der serbischen oppositionellen Landtagsabgeordnete Gavro Gasic, der der Narodnagruppe angehört. Der bosnische Landtag wird nach dem Begräbnis des Thronfolgerpaares aufgelöst. Dann werden mehrere serbische oppositionelle Abgeordnete verhaftet. Einige sind durch die Untersuchung stark kompromittiert.
Wien, 5. Juli. Dem „Wiener Correspondenz-Bureau“ gehen aus Belgrad folgende weitere Meldungen zu: Dem „Mali-Journal“ zufolge, hat die serbische Polizei Nachforschungen nach dem Komitadschi Tschiganowitsch angestellt, gegen den der Verdacht laut wurde, daß er an dem Attentat gegen den Erzherzog beteiligt gewesen sei. Die serbische Polizei hat von Tschiganowitsch noch keine Spur gefunden, setzt die Nachforschungen aber fort.
© Frank-Egon Stoll-Berberich, 2017, Alle Rechte vorbehalten.
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