Samstag, 25. März 2017

Sehr geehrte Frau Seeger... ihr Mann ist nämlich krank geworden....der Zustand ist gefährlich

Als dieser Brief verfasst wurde, schien der vorgesetzte Hauptmann Jakob Seegers noch davon auszugehen, dass dieser im Lazarett gesunden würde. Frau Seeger erhielt diesen Brief, als ihr Mann bereits verstorben war. 
Der Hauptmann schildert den genauen Ablauf der Behandlung, der Brief wirkt in der Absicht geschrieben worden zu sein, die Ehefrau zu informieren, zu beruhigen und gleichzeitig auf das Unvermeidliche vorzubereiten.
Es sind Zeitdokumente wie diese, die den Begriff "Schicksal" mit Inhalt füllen, dokumentieren sie doch die ganze Tragik- wenn auch versteckt- , die sich fernab der Heimat abgespielt haben muss.

Der Hauptmann schreibt:
Gomel 05.12.1918
Militär-Güteramt 203 Deutsche Feldpost No 2012
Sehr geehrte Frau Seger!
Wenn wir uns persönlich auch noch nicht kennen, so wissen wir durch die Vermittelung Ihres Mannes jedenfalls doch so vieles von einander, daß wir uns nicht ganz fremd gegenüberstehen und werden wir, wenn wir hoffentlich im Januar nach Hause kommen, uns auch persönlich kennen lernen.
Wenn ich heute an Sie schreibe, so geschieht es gegen den Willen Ihres Mannes, jedoch ich halte mich dazu für verpflichtet. 
Er ist nämlich krank geworden, und hat sich eine linksseitige Lungenentzündung zugezogen. Donnerstag den 28. 11. [...] ,und er selbst auch, er habe sich eine Erkältung zugezogen und er versuchte am Freitag diese durch ordentliches Schwitzen und unter zur Hilfenahme von Glühwein, auszutreiben.Da es jedoch bis Abends nicht besser war bat ich einen Arzt zu kommen, dieser war jedoch abgehalten und konnte erst Samstag Nachm. kommen. Er stellte Lungenentzündung fest und ordnete an, daß er in das Lazarett nach Nowobillitza zu überführen sei. Wir besprachen die beste Art der Überführung, der Arzt war für Überführung im Auto, ich widersprach jedoch mit Rücksicht darauf, daß er sich im offenen Auto, auch wenn er noch so gut verpackt worden wäre, weiter hätte verkühlen können. Er wurde sodann im Zuge in gut geheizten Wagen bis an das Lazarett gefahren; ich war zum Abschied noch bei ihm im Wagen und versprach ihn nächsten Tage zu besuchen. Am Sonntag wurde er ins Lazarett gebracht. Montag und Dienstag schickte ich von meinen Leuten je einen Mann zu ihm, um zu erfahren wie es ihm gehe. Am Mittwoch früh 8 Uhr besuchte ich ihn selbst. Ich sprach erst mit dem behandelnden Arzt Dr. Brill, welcher aus Darmstadt ist, und sich Ihres Mannes sehr annimmt. Er bat mich jedoch nicht allzulange bei dem Kranken, welcher in einem besonderen gut beheizten Zimmer mit Doppelfenstern untergebracht ist, zu verweilen, weil über Nacht auch der rechte Lungenflügel angegriffen worden sei. Wir sprachen verschiedenes mit einander und das wir bald zusammen nach Hause fahren würden. Würde er vorher im Lazarettzuge [befördert], so würde ich ihm noch einen besonders guten Mann vom Amte zur Begleitung mitgeben. Auch freute er sich, daß der behandelnde Arzt ein Landsmann ist.
Wenn auch sein Zustand nicht hoffnungslos ist, wie mir der Arzt versicherte, so darf ich Ihnen nicht verschweigen, daß er gefährlich ist.
Ich werde ihn täglich besuchen und Ihnen Bericht erstatten und hoffe ihn mit Gottes Hilfe bald wieder gesund zu sehen, so daß wir, die wir schon so oft mit einander gewandert sind auch zusammen in der Heimat einziehen können, wenn es in Deutschland auch nicht sehr verheißungsvoll ist, die Heimat ist es doch. 
Herzlichen Gruß Ihr Buhler Hptm [Anm.: Hauptmann]
Leider ließen sich nicht alle Worte entziffern, es fehlen insgesamt 6 Worte, die allerdings keinen Einfluss auf das Textverständnis haben.

Ein herzliches Dankeschön an Herrn Peter Dörling, der einige komplizierte Worte entziffern konnte.

BIAB_HBS_0018.jpg Brief zur Verfügung gestellt von Hans Bernhard Schober, Dokument zusammengestellt und transkribiert: Frank-Egon Stoll-Berberich 2017

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